Umbrüche

Ich hatte tatsächlich diesen Blog vergessen. Er ist einfach in eine dunkle Ecke meines Bewusstseins gerückt und lag da viele Jahre vergessen. Dann kam heute plötzlich eine Mail und brachte diesen hier zurück. Tatsächlich habe ich mich die letzten Tage nach solch einer Gelegenheit gesehnt.

Wieder einmal ist mein Leben im Umbruch. Morgen starte ich in meinen neuen Job und mein Inneres ist aufgewühlt. Nichts fühlt sich richtig an. Ich hatte in den letzten Tagen diverse Panikattacken, leider nicht nur einen Nervenzusammenbruch, Wutausbrüche, Heulkrämpfe und bei allem furchtbare Angst. Ich kann nicht mehr nachvollziehen, warum ich die Sicherheit meines alten Jobs gegen diese Ungewissheit tauschen konnte. Natürlich gab es Gründe. Die gibt es immer. Aber heute erscheinen sie mir mit Blick auf das Morgen nicht mehr als so gewichtig, dass sie einen Jobwechsel rechtfertigen. Es könnte alles so einfach sein. Ich könnte morgen früh wie gewöhnlich um kurz vor 6 Uhr in mein Arbeitszimmer schlurfen, den PC hochfahren, mich anmelden. Dann würde auch schon das Telefon klingeln und meine Kollegin und ich würden uns herrschaftlich über den Saftladen und die anstrengenden Kollegen aufregen. Ich würde damit drohen, dass ich auch woanders arbeiten könnte und würde einfach meinen verdammten Job machen. Währenddessen würde ich mich fragen, wie lange ich das alles noch aushalten werde und wann ich mich endlich wegbewerbe.

Die Realität sieht so aus, dass ich genau das kurz nach Weihnachten getan habe. Ich wurde genommen und morgen ist der Tag, an dem ich bei meinem neuen Arbeitgeber auftauchen muss. Das Resultat sind Bauchschmerzen, die Angst vorm Scheitern und die furchtbare Panik vor dem Ungewissen. Meine Freundin sagte mir schon, dass ich in zwei Wochen wahrscheinlich drüber lachen werde. Das weiß ich auch. Vielleicht nicht in zwei Wochen, aber in nicht allzu weit entfernter Zukunft werde ich mich selbst schelten, weswegen ich um den ersten Tag so viel Aufsehen gemacht habe. Ich werde mich nicht so wohl fühlen wie in meinem alten Job, aber je mehr Zeit vergeht, desto weniger Angst werde ich haben. Das weiß ich. Das kenne ich. Aber letzten Endes hilft es mir doch nicht durch die Angst. Diese Angst, der ich jedes Mal – bei jeder Herausforderung, bei allem Neuen – schutzlos gegenüber stehe. Nichts hilft. Keine Ablenkung, denn jede Ablenkung endet mal. Es hilft auch nicht, darüber zu reden, denn dadurch steigt bei mir nur der Druck. Tja, also…was machen? Ich war den Tag über gut beschäftigt. Meine Nichte war da und hat uns wenigstens vormittags gut auf Trab gehalten und den Nachmittag habe ich mich mit meiner Lieblingsserie abgelenkt. Aber jetzt ist 21 Uhr und ich sollte bald schlafen (als wüsste ich nicht, dass das natürlich wieder nicht klappen wird – ich habe jede Woche, wenn ich arbeiten muss, die Sunday Scaries oder im heutigen Fall eben Monday Scaries).

Die Gedanken fangen wieder an zu wirbeln. Mein Hirn geht Szenarien durch, Worst Cases, niemals Best Cases, oder Konversationen, die es wahrscheinlich nie geben wird. Loslassen konnte ich noch nicht gut. Eine Tablette Neurexan, damit ich noch müder werde. Auch wenn die Müdigkeit nicht das Problem ist. Nur leider kommt die nicht gegen die Angst an. Ich wähle mit Absicht den Begriff der Angst, denn Nervosität erfasst nicht das Ausmaß dessen, was ich fühle. Es ist nicht nur das Unwohlsein im Magen, der Drang sich gut darzustellen und die Sorge vor dem Unbekannten. Was ich fühle ist noch stärker. Das Atmen fällt mir schwer, wenn sich meine Gedanken doch wieder dem Morgen zuwenden, dass ich doch so gerne weiter wegschieben würde. Mein Herz schlägt schmerzhaft in der Brust und meine niederen Instinkte schlagen zu. Kampf oder Flucht? Ich zermartere mir das Hirn wie ich aus dieser Sache wieder rauskomme. Was sind meine Alternativen? Spoiler! Ich habe keine. Wenn ich nicht komplett ohne dastehen möchte, dann muss ich morgen meine vier Buchstaben zur Arbeit bewegen.

Es sind diese Situationen, in denen meine Schwester besonders fehlt. Auch, wenn oft nur kam, ich müsse mich zusammenreißen und dass das bei mir doch jedes Mal so wäre, sie hätte gewusst, wie sie mich ablenkt. Hätte mich ausgetrickst, sodass plötzlich morgen gewesen wäre und ich keine Zeit mehr zum Grübeln gehabt hätte. Sie hätte mich gepusht wie sie es immer getan hat. Wie damals als ich an zwei aufeinander folgenden Tagen zwei Assessment Center hatte und ich ein kleines Häufchen Elend war. Sie brachte mich dazu, am Tag davor mit ihr zu backen. Und dann war es geschafft. Ich glaube, dadurch ist alles noch etwas schwerer. Ich kann mir nur noch vorstellen, wie sie mich unterstützt. Ich bilde mir ein, dass sie und ich morgen zusammen mit ihrem Auto zur Arbeit gefahren wären. Sie hat früher beim Arbeitgeber gegenüber von meinem Neuen gearbeitet.

Aber wie mein Vater schon sagte: Es bringt nichts, seine Zeit mit Was-wäre-wenn-Spielchen zu vergeuden. Morgen starte ich in einen neuen Job. Das ist die Realität.

Wünscht mir Glück und habt eine gute Nacht!